Meine Geschichtswerkstatt
Hansjörg Frommer

Deutsche Geschichte: Kaiserinnen des Mittelalters (Buchmanuskript)

Spindel, Kreuz und Krone. Herrscherinnen des Mittelalters (1993)

Die Lebensbilder der sechs mittelalterlichen Herrscherinnen sind aus einer Kursreihe der Volkshochschule Karlsruhe entstanden, die unter dem Titel "Bedeutende Frauengestalten - Auch Frauen brauchen Vorbilder" "unsere Geschlechtsgenossinnen dem Dunkel der Geschichte zu entreißen" beabsichtigte und jedes Semester sechs bis acht Frauen aus verschiedenen Zeiten und Bereichen zur Darstellung brachte. Mein erster Beitrag dazu war für das Frühjahr 1991 zur alsbald verschobenen Salierausstellung die Kaiserin Gisela. Dann folgten Agnes, Konstanze, Adelheid und Theophanu. Richenza als Seminar anzubieten habe ich nicht gewagt, weil sie zu wenig bekannt ist. Trotzdem habe ich sie hier aufgenommen, und lieber als Kunigunde, die Frau Heinrichs II., die sonst unter den bedeutenden Kaiserinnen nie fehlt. Aber Kunigunde und Heinrich sind mir unsympathisch, ich finde, dass sie überschätzt werden, und ihre nachträgliche Umwertung, Idealisierung und Kanonisierung durch die Kirche verstärkt noch das Unbehagen. Von den Salierfrauen fehlen Bertha und Mathilde. Bertha ist menschlich anziehend, aber sie war keine Herrscherin und an den politischen Entscheidungen Heinrichs IV. kaum beteiligt. Und Mathilde war fast noch ein Kind, als Heinrich V. starb. Ihr persönliches und politisches Format hat sie erst in ihrer zweiten Ehe und im Kampf für das Erbrecht ihres Sohnes in England gefunden. Die Stauferfrauen waren keine politischen Gefährtinnen ihrer Ehemänner, und auch Konstanze erlangte ihre Bedeutung nicht an der Seite Heinrichs VI., sondern in ihren eigenen Entscheidungen, die oft in eine ganz andere Richtung wiesen. Die sechs Herrscherinnen - Adelheid, Theophanu, Gisela, Agnes, Richenza, Konstanze - sind also nicht willkürlich ausgewählt, sondern nach ihrer historischen Bedeutung. Miteinander umfassen sie die Geschichte des hohen Mittelalters von 930 bis 1200.
Diese Lebensläufe sind kein Beitrag zur frauenspezifischen oder frauenpolitischen Literatur, auch wenn ihre Entstehung auf einen solchen Ansatz zurückgeht. Das hat zwei Gründe. Den einen hat die gerade mit Frauenthemen bekanntgewordene französische Historikerin Régine Pernoud so formuliert: "Wenn man die Werke der Historiker aus dem XIX. und dem Beginn des XX. Jahrhunderts heranzieht, muss man immer wieder erstaunt feststellen, wie ungeniert männlich sie denken. Man muss sich fragen, ob es nicht in Bezug auf das Mittelalter notwendig wäre, diese Werke noch einmal durchzugehen und dabei die Gewichtungen zu berichtigen, damit das Handeln der Frauen ebenso wie das der der Männer Berücksichtigung findet. Das legt auch der Rückgriff auf die Quellen nahe, denn die Zeitgenossen geben den Frauen ganz natürlich den Platz, der ihnen damals zukommt." Die strenge Ausrichtung auf die männliche Erbfolge und die staatspolitischen Leistungen der Männer ist in der Tat eine Verengung der modernen Geschichtsschreibung. Im Mittelalter war die Beteiligung der Frauen kein Tabu, die hier aufgenommenen Herrscherinnen gehörten zum institutionellen Rahmen der Regierung, und in vielen Fällen trug die Ehe wesentlich zur Aufwertung des Mannes bei, weil eben Blutslinien genauso gut über Frauen wie über Männer weitergegeben werden konnten. Es gibt für bestimmte Familien bei Frauen wie bei Männern Leitnamen, und die männlichen können über Frauen genauso weitergegeben werden wie die weiblichen über Männer.
Der andere Grund liegt darin, dass es sich hier nicht um eine Untersuchung über die Stellung der Frau im Mittelalter handelt, sondern um sechs individuelle Lebensläufe von Frauen aus allerhöchsten Familien, deren materielle Ausstattung, Bildungsstand und Lebensführung keinen Vergleich mit Frauen aus anderen Bereichen zulässt und keinerlei Aussagewert für die Lebensbedingungen der Frauen und überhaupt der großen Masse der Bevölkerung hat. Eine kritische Betrachtung der mittelalterlichen Gesellschaft, ihres rigorosen religiösen Überbaus oder ihrer "underdogs", die die materiellen Grundlagen sicherten, ist nicht die Absicht dieses Buches. Es stellt sechs Einzelschicksale in ihrer Verknüpfung mit den großen politischen Ereignissen dar, jeweils ausgehend vom familiären Hintergrund, aus dem die Frauen kommen, und von den Eindrücken, die sie geprägt und ihre spätere Geschichte vorbereitet haben. Auf viele Fragen, die uns heute interessieren, geben uns die Quellen keine oder keine direkte Antwort, vor allem auf die individuelle Befindlichkeit. Wie die Beschreibungen geben auch die Bilder, die uns überliefert sind und zum Teil mit aufgenommen wurden, kein wirkliches Bild, sondern eine idealisierte Darstellung. Trotzdem versuchen wir immer wieder, uns ein Bild zu machen, und natürlich steht hinter jedem dieser Lebensbilder auch die Vorstellung, die ich mir von diesen Frauen mache.

 

Literatur
Die hier (in alphabetischer Ordnung) genannten Werke wurden für mehrere oder alle Lebensläufe benutzt. Weitere Angaben finden sich bei den einzelnen Herrscherinnen.
Edith Ennen: Frauen im Mittelalter. C.H.Beck München 1984.
Hansjörg Frommer: Die Salier und das Herzogtum Schwaben.INFO Verlag Karlsruhe 1992.
Bruno Gebhardt: Handbuch der deutschen Geschichte. Band 1.Union Stuttgart 1954.
Kurt-Ulrich Jäschke: Notwendige Gefährtinnen. Königinnen der Salierzeit als Herrscherinnen und Ehefrauen im römisch-deutschen Reich des 11. und beginnenden 12. Jahrhunderts.Historie und Politik 1. Dadder Saarbrücken-Scheidt 1990.
Max Kirchner: Die deutschen Kaiserinnen in der Zeit von Konrad I. bis zum Tode Lothars von Supplinburg. Historische Studien, Heft LXXIX. Berlin 1910.
Régine Pernoud: La femme aux temps des cathédrales. Stock Paris 1980. Edition Le Livre de Poche 5690 (Zitat S. 295)
Erika Uitz, Barbara Pätzold, Gerlad Beyreuther (Hrsg): Herrscherinnen und Nonnen. Frauengestalten von der Ottonenzeit bis zu den Staufern. Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1990.
Percy Ernst Schramm/Florentine Mütherich: Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit 751-1190. Prestel München 1983.
Hansmartin Schwarzmaier: Von Speyer nach Rom. Wegstationen und Lebensspuren der Salier. Thorbecke Sigmaringen 1991.
Thilo Vogelsang: Die Frau als Herrscherin im hohen Mittelalter. Studien zur "consors regnie" Formel. Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft, Band 7. Musterschmidt Göttingen 1954.

Adelheid und Theophanu (931 – 999)

König Rudolf II. von Hochburgund – Die Königin Bertha - Adelheids Herkunft, Kindheit und Jugend - König Hugo von Italien – König Lothar von Italien und Adelheid als Königin - Berengar von Ivrea - König Otto - Die Ehe von Adelheid und Otto - Adelheid und die Familie Ottos - Der Liudolfinische Aufstand - Entfremdung zwischen Adelheid und Otto - Italien und die Kaiserkrönung - Vom ersten zum zweiten Italienzug - Die Verhandlungen mit Byzanz - Die Herkunft der Theophanu - Empfang, Hochzeit und Krönung der Theophanu - Heimkehr und Tod Ottos des Großen - Adelheid und Otto II. - Theophanu und die neue Regierung - Adelheid und die Italienpolitik Ottos II. - Vom Feldzug in Süditalien bis zum Tod Ottos II. – Heinrich der Zänker - Die Auseinandersetzung um die Regentschaft - Die Reichsregierung unter Theophanu bis 987 - Theophanu und das Reich - Theophanus Tod und Adelheids Regentschaft - Adelheids letzte Jahre - Die Gründung des Klosters Selz - Nachkommen von Adelheid und Theophanu

Die Kaiserin Gisela (990 – 1043)

Herzog Hermann II. von Schwaben - Die Bruchsaler Unterwerfung von 1002 - Giselas Kindheit - Die sächsische Ehe mit Bruno von Braunschweig - Die Ehe mit dem Babenberger Ernst - Die Ehe mit Konrad von Worms – Geburt des Sohnes Heinrich - Wahl und Krönung von Konrad und Gisela 1024 - Die Mutter und die Kaiserin – Der Aufstand von Herzog Ernst – Gisela als Konrads unentbehrliche Gefährtin - Der Tod und die Kaiserin

Die Kaiserin Agnes (1025 – 1077)

Kindheit und Jugend von Agnes in Aquitanien und Poitou - Braut und Bräutigam - Verlobung, Krönung und Hochzeit - Heinrich III. und Agnes – Agnes als Königin und Kaiserin – Geburt und Königswahl Heinrichs IV. – Tod Heinrichs III. - Die Regentschaft der Kaiserin Agnes – Rudolf von Rheinfelden und Otto von Northeim - Anno von Köln und der kirchliche Staatsstreich von Kaiserswerth - Die geistliche Fürstin - Petrus von Damiani - Agnes als Mutter, Vermittlerin und Politike

Die Kaiserin Richenza (1087 – 1141)

Das Erbe des Vaters: Heinrich der Fette von Northeim - Das Erbe der Mutter: Gertrud von Katlenburg - Kindheit und Jugend - Die Ehe mit Lothar von Supplinburg - Herzog von Sachsen mit und gegen Heinrich V. – Die Königswahl von 1125 – Heinrich der Stolze - Des Reiches Krone - Im Kampf mit den Staufern Friedrich und Konrad - Das päpstliche Schisma von 1130 und Rom - Das Ende Lothars - Der Kampf für den Enkel Heinrich den Löwen

Die Kaiserin Konstanze (1154 – 1198)

Die Normannen in Süditalien – Robert Guiskard – Der „große Graf“ Roger und Sizilien – Roger II. und das normannische Königreich Sizilien - Konstanzes Herkunft und Familie – Wilhelm der Gute, Konstanze und die Heiratsprojekte - Friedrich Barbarossa – Heinrich VI. als Bräutigam - Hochzeit und erster Deutschlandaufenthalt Konstanzes – Tod Wilhelms des Guten – Die Normannen wählen Tankred von Lecce - Die Katastrophe von 1191 - Zweiter Deutschlandaufenthalt Konstanzes - Geburt des Sohnes Friedrich und Rückkehr nach Sizilien – Tod Heinrichs VI. – Konstanze in der Verantwortung für den Sohn und das normannische Erbe - Der Tod Konstanzes - Die ghibellinische Legende